Zeitzeuge - Ein Bericht von Kathrin Fuchs
[5. Karl Wessendorft]
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Pfarrer Wessendorft bezog mutig Stellung zum Evangelium von
dem einen Herrn Jesus Christus und engagierte sich furchtlos, wenn
es um die Gemeinde Jesu Christi ging:
So setzte er sich sehr für seine Konfirmandinnen und
Konfirmanden ein. Dass sie am sonntäglichen Gottesdienst
teilnahmen, stand für ihn außer Frage. Wenn jemand das torpedierte,
stand er auf.
Immerhin hatte der NS-Staat ein entsprechendes Abkommen
zwischen Reichsbischof Ludwig Müller und dem Reichsjugendführer
Artur Axmann vom 19.12.1933 getroffen. Am 30.01.1934 wurde es
genehmigt. Es regelte die Eingliederung der unter 18-Jährigen, die
einem organisierten Evangelischen Jugendwerk angehörten, in die
Hitlerjugend und in den BDM. Ihnen wurde darin zugestanden, „daß
sie an zwei Nachmittagen in der Woche und an zwei Sonntagen im
Monat die volle Freiheit der Betätigung in erzieherischer und
kirchlicher Hinsicht“ haben. Für Konfirmandinnen und Konfirmanden ist
darüber hinaus festgehalten, dass sie uneingeschränkt den
Gottesdienst besuchen können; an diesen Tagen ist die evangelische
Jugend von jedem Dienst zu befreien.
Für Konfirmanden und ihre Eltern gehörte untrennbar zum
Konfirmandenunterricht sonntags der Gottesdienst; das war ihre
„ausdrücklich übernommene sonntägliche Pflicht“, die die jungen
Menschen auch gerne übernahmen.
Doch immer wieder wurde von Gruppenführern der HJ und
Gruppenführerinnen des BDM versucht, Jugendliche sonntags zu
Gottesdienstzeiten zu Diensten zu verpflichten. Pfarrer Wessendorft
wurde nicht müde, immer wieder auf diese Missstände hinzuweisen.
Viele Briefe schrieb er, wie am 5.3.1936 an die
Jungmädelgruppenführerin Hildegard Hucke als Antwort auf ihren
Antrag vom selben Tag: „Anlässlich unserer Helden-Gedenkfeier am
Sonntag den 8.3.36 bitte ich um Befreiung meiner Jungmädel von dem
Kirchenbesuch. Heil Hitler! Hildegard Hucke“
•
„Ich bestätige hiermit den Empfang der Mitteilung vom 5.3.36 über
die geplante Helden-Gedenkfeier.
Ich berufe mich auf die zwischen der Führung der HJ und den
kirchlichen Stellen getroffenen Vereinbarungen. Zur kirchlichen ´
P f l i c h t´ der Konfirmanden gehört (zumal wenige Wochen vor
der Konfirmation) unbedingt der Besuch des Gottesdienstes. Wenn
meine Konfirmanden es etwa versäumt haben sollten, sich dazu
ordnungsgemäß Urlaub zu erbitten, so bitte ich, das hier nachholen
zu dürfen. Ich erbitte also für sie alle Urlaub vom Sonntagsdienst,
soweit es zum Besuch des Gottesdienstes nötig ist.
Heil Hitler!“
Es waren noch mehrere Briefe nötig, bis die Konfirmanden frei
bekamen für den Gottesdienst!
Sein Verhandlungsgeschick im Umgang mit Repräsentanten der
NSDAP wird in dieser Korrespondenz besonders deutlich. Pfarrer
Wessendorft beharrte nicht auf Rechtspositionen, sondern verwies auf
deren Gültigkeit und blieb in seinem Ton höflich, aber bestimmt. Er ließ
sich auch von diesen Autoritäten nicht einschüchtern. Sein Glaube und
sein Bekenntnis zu Jesus Christus als seinem einen und einzigen
Herrn war seine Kraftquelle und Verpflichtung gegen den
menschengemachten Führer einzuschreiten.
Aber nicht nur für seine eigene Gemeinde setzte sich Pfarrer
Wessendorft ein, sondern auch für jüdische Mitbürger. Zeitzeugen
bestätigen ihm einen ostentativen Widerstand gegen den Aufruf der
NSDAP, jüdische Ärzte, wie Dr. Freudenberger in Bergen, zu
konsultieren. Obwohl Wachen vor seiner Praxis aufgestellt wurden, um
Patienten den Zugang zu verwehren, ließ der Geistliche sich davon
nicht beeindrucken.
Querverweis:
LINK zu weiteren Auszügen aus der Festschrift
Querverweis:
LINK zu einem Gemeindebrief mit einer
persönlichen Bitte des Pfarrers um Mithilfe bei
seiner Recherche
Querverweis:
LINK zu einem Pressebericht über die Enthüllung
der Gedenktafel
Initiative Stolpersteine Bergen-Enkheim
Frankfurt am Main
Lichter in einer dunklen Zeit: Karl Wessendorft (2 von 3)