Rundgang
eingeweiht und ersetzte die Synagoge in der ehemaligen Rathausgasse, die heute Am Berger
Spielhaus heißt. Sie bot Platz für 90 Männer im Erdgeschoss und 50 Frauen auf der Empore. Neben
der Synagoge stand das Schulhaus, in dem sich auch die Wohnung für den Lehrer und eine Mikwe,
das rituelle Frauenbad, befanden. Die Synagoge war das geistige Zentrum der Jüdischen Gemeinde
von Bergen-Enkheim und Fechenheim. Die „Judenschule“ in der Rathausgasse 4 hatte für die stetig
größer werdende Gemeinde nicht mehr ausreichend Platz geboten. Die Gemeinde wuchs von
1750 bis 1850 von 85 auf 198 Personen.
Die Straße, in der die Synagoge eingeweiht wurde, hieß seinerzeit Erbsengasse. Diesen
Straßennamen für Orte jüdischen Lebens findet man auch in anderen hessischen Gemeinden. Es
handelt sich dabei um eine Volksetymologie, bei der aus dem dialektal gefärbten Wort
Rewwesgasse Erbsengasse wurde.
Die stehengebliebenen Außenmauern der
zerstörten Synagoge zwei Tage nach der
Pogromnacht heimlich aufgenommen von
einem Berger Bürger
Foto: Hessisches Landesarchiv Wiesbaden,
Abt. 461, 30021 Bd.1.
Die Schändung und Verwüstung der Synagoge fand unter starker öffentlicher Beteiligung statt. Die Gasse soll
nach Darstellungen von Zeitzeugen voll von Menschen gewesen sein. Rituelle Gegenstände, das Thorasilber,
der Thoraleuchter und die sieben Thorarollen wurden zerstört und auf den Hof des Grundstücks geworfen. Die
Gemeinde bekam für das noch herumliegende Silber 140 Reichsmark, ein Lumpensammler trug die anderen
Gegenstände fort.
Gegen den damaligen Bürgermeister Carl Fey und vier weitere Berger Bürger wurde am 15. April 1947 wegen
der Zerstörung der Synagoge Anklage erhoben. Die zum Teil widersprüchlichen Aussagen während des
Prozesses reichten nicht zu einer Überführung des Angeklagten aus. Fey hatte im Juni 1945 sein Amt
niedergelegt, als die Gerüchte bezüglich seiner Beteiligung an der Zerstörung der Synagoge nicht verstummen
wollten.
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Initiative Stolpersteine Bergen-Enkheim
Frankfurt am Main
Die Synagoge wurde im Pogrom am 10. November
1938 zerstört. Vor dem Haus Conrad-Weil-Gasse 5
erinnert eine Gedenktafel an das Gotteshaus. Sie wurde
1962 auf Initiative von Karl Wessendorft (1889-1978)
angebracht, der von 1923 bis zu seinem Tod evangelischer
Pfarrer in Bergen war, im Dritten Reich der „Bekennenden
Kirche“ angehörte und 1960 und 1961 eine als Beilage in
Bergen-Enkheimer Zeitung erschienene Broschüre mit
dem Titel „Unsere letzten jüdischen Mitbürger“
veröffentlichte.
Die Synagoge wurde am 12. Oktober 1854 auf dem
Gelände der ehemaligen Berger Reformierten Schule
Foto: Ewald Wirth